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Nießbrauch vs. Wohnrecht: Was Immobilienbesitzer wissen müssen

Veröffentlich von Marcel Koslowski

16. Mai 2025

Sie haben Fragen zu diesem Blog-Thema, Immobilien im Allgemeinen oder zur Immobilienbewertung?

Egal ob Kaufberatung, Verkauf, Scheidung, Erbschaft, Schenkung, Einlage/Entnahme, unbebaute Grundstücke, gewerbliche Immobilien oder steuerliche Themen.

Marcel Koslowski

Diplom-Sachverständiger (DIA) für die
Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken, Mieten und Pachten

In der Immobilienwelt begegnen uns häufig die Begriffe Nießbrauch und Wohnrecht. Besonders beim Immobilienverkauf oder bei der Vermögensübertragung im Rahmen der Nachlassplanung können diese Rechtsformen eine entscheidende Rolle spielen. Doch worin unterscheiden sie sich genau, und welche Auswirkungen haben sie auf Ihre Immobilie? Dieser Artikel beleuchtet die wesentlichen Unterschiede und gibt Ihnen wichtige Informationen für Ihre Entscheidungsfindung.

Nießbrauch und Wohnrecht im Detail: Die Grundlagen

Was ist ein Nießbrauch?

Der Nießbrauch (auch Nutznießung genannt) ist ein umfassendes dingliches Recht, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1030 bis 1089 geregelt ist. Er gewährt dem Berechtigten (Nießbraucher) das weitreichende Recht, eine Immobilie vollständig zu nutzen und sämtliche Erträge daraus zu ziehen, ohne Eigentümer zu sein.

Der Nießbraucher darf:

  • Die Immobilie selbst bewohnen
  • Die Immobilie vermieten und Mieteinnahmen behalten
  • Über die Nutzungsart weitgehend selbst bestimmen
  • Die wirtschaftlichen Vorteile der Immobilie vollständig ausschöpfen

Rechtlich betrachtet ist der Nießbrauch ein nicht übertragbares Recht und erlischt spätestens mit dem Tod des Berechtigten, sofern nicht anders vereinbart (bei juristischen Personen nach maximal 30 Jahren).

Was ist ein Wohnrecht?

Das Wohnrecht hingegen ist im BGB als beschränkte persönliche Dienstbarkeit in den §§ 1090 bis 1093 definiert. Es gewährt dem Berechtigten lediglich das Recht, bestimmte Räume oder ein Gebäude ausschließlich zu Wohnzwecken zu nutzen.

Ein Wohnrecht:

  • Beschränkt sich auf die persönliche Nutzung zum Wohnen
  • Kann nicht übertragen oder vermietet werden
  • Bezieht sich oft nur auf bestimmte Räume einer Immobilie
  • Ist ein höchstpersönliches Recht, das ebenfalls mit dem Tod des Berechtigten erlischt

„Das Wohnrecht dient ausschließlich der Deckung des persönlichen Wohnbedürfnisses und ist somit deutlich enger gefasst als der Nießbrauch“, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 28.06.2013 (Az. V ZR 9/12) klarstellte.

Rechtliche Unterschiede: Nießbrauch vs. Wohnrecht

Die zentralen rechtlichen Unterschiede zwischen Nießbrauch und Wohnrecht lassen sich in mehreren Dimensionen erfassen:

Nutzungsumfang und Nutzungsrechte

Der Nießbrauch gewährt dem Berechtigten eine deutlich umfassendere Rechtsposition:

  • Vollständige Nutzungsberechtigung an der gesamten Immobilie
  • Recht zur Vermietung und Verpachtung (§ 1059 BGB)
  • Anspruch auf sämtliche Früchte und Erträge der Immobilie
  • Möglichkeit zur Überlassung der Ausübung an Dritte (§ 1059 BGB)

Das Wohnrecht ist hingegen stark eingeschränkt:

  • Beschränkung auf die eigene Wohnnutzung
  • Keine Vermietungsmöglichkeit ohne besondere Vereinbarung
  • Häufig begrenzt auf bestimmte Räume oder Gebäudeteile
  • Keine Ertragserzielung möglich

Ein wichtiges Gerichtsurteil des OLG München (Az. 34 Wx 174/16) vom 21.12.2016 bekräftigte: „Das Wohnrecht wird anders als der Nießbrauch nur für Wohnzwecke gewährt und begründet kein Recht auf kommerzielle Nutzung oder Einnahmeerzielung.“

Übertragbarkeit und Vererblichkeit

Beide Rechtsformen sind grundsätzlich nicht übertragbar und nicht vererblich:

  • Der Nießbrauch ist gemäß § 1059 BGB nicht übertragbar, jedoch kann die Ausübung des Rechts einem Dritten überlassen werden.
  • Das Wohnrecht ist als höchstpersönliches Recht weder übertragbar noch kann dessen Ausübung ohne besondere Vereinbarung einem Dritten überlassen werden.

Eintragung im Grundbuch

Sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht werden durch Eintragung in Abteilung II des Grundbuchs begründet:

  • Die Eintragung erfolgt als dingliches Recht bzw. als beschränkte persönliche Dienstbarkeit
  • Durch die Eintragung wirkt das Recht gegenüber jedem künftigen Eigentümer
  • Der Rang im Grundbuch bestimmt die Priorität bei mehreren eingetragenen Rechten

Pflichten und Verantwortlichkeiten für den Begünstigten

Pflichten des Nießbrauchers

Mit dem umfassenden Nutzungsrecht des Nießbrauchs gehen auch weitreichende Pflichten einher:

  1. Erhaltungspflicht: Der Nießbraucher muss die Substanz der Immobilie erhalten und ist für die gewöhnliche Instandhaltung verantwortlich (§ 1041 BGB).
  2. Lastentragung: Er trägt alle privatrechtlichen und öffentlichen Lasten der Immobilie, darunter:
    • Grundsteuer
    • Versicherungsbeiträge
    • Betriebskosten
    • Kosten für kleinere Reparaturen
  3. Versicherungspflicht: Nach § 1045 BGB muss der Nießbraucher die Immobilie gegen Schäden versichern.
  4. Wertsicherungspflicht: Er darf keine Veränderungen vornehmen, die den Wert der Immobilie substanziell mindern.

Das Landgericht Hamburg hat in seinem Urteil vom 18.09.2018 (Az. 318 T 7/18) festgestellt: „Der Nießbraucher steht wirtschaftlich dem Eigentümer nahe und trägt daher auch ähnliche Verantwortung für die Substanzerhaltung des Objekts.“

Pflichten des Wohnrechtsberechtigten

Die Pflichten des Wohnrechtsberechtigten sind deutlich begrenzter:

  1. Schonende Nutzung: Die Räume müssen pfleglich und dem Verwendungszweck entsprechend genutzt werden.
  2. Kleinreparaturen: Üblicherweise trägt der Berechtigte die Kosten kleinerer Reparaturen und des laufenden Unterhalts der genutzten Räume.
  3. Betriebskosten: Je nach Vereinbarung können die Betriebskosten für die genutzten Räume dem Berechtigten obliegen.

Die genaue Verteilung der Lasten und Pflichten kann im Einzelfall vertraglich abweichend geregelt werden und sollte im Grundbucheintrag oder in einer separaten Vereinbarung klar definiert sein.

Auswirkungen auf die Immobilie und ihre Verkehrsfähigkeit

Wertverlust und Verkaufshemmnisse

Sowohl Nießbrauch als auch Wohnrecht können erhebliche Auswirkungen auf den Verkehrswert und die Verkaufsfähigkeit einer Immobilie haben:

Bei Nießbrauch:

  • Erhebliche Wertminderung der Immobilie um bis zu 80%, abhängig vom Alter des Nießbrauchers
  • Faktisch keine eigene Nutzungsmöglichkeit für den Eigentümer während der Laufzeit
  • Deutliche Einschränkung der Verkäuflichkeit, da die Immobilie mit einer umfassenden Belastung verkauft werden muss

Bei Wohnrecht:

  • Geringere Wertminderung als beim Nießbrauch, typischerweise zwischen 20-60% je nach Umfang des Wohnrechts
  • Teilnutzung möglich, wenn das Wohnrecht nur auf bestimmte Räume beschränkt ist
  • Bessere Verkaufschancen als beim Nießbrauch, aber dennoch deutlich eingeschränkt

Finanzierung und Beleihung

Für potenzielle Käufer oder Eigentümer ergeben sich auch Einschränkungen bei der Finanzierung:

  • Banken bewerten belastete Immobilien deutlich niedriger
  • Der Beleihungswert kann erheblich reduziert sein
  • Die Finanzierungskonditionen fallen in der Regel ungünstiger aus

Die KfW-Förderbank berücksichtigt bei ihrer Immobilienbewertung dingliche Belastungen wie Nießbrauch und Wohnrecht als wertmindernde Faktoren und passt die Darlehensbedingungen entsprechend an.

Steuerliche Aspekte

Die steuerlichen Auswirkungen von Nießbrauch und Wohnrecht sind ebenfalls zu beachten:

  • Bei der Schenkungsteuer kann die Einräumung eines Nießbrauchs oder Wohnrechts steuermindernd wirken
  • Der Kapitalwert des Rechts wird von der Bemessungsgrundlage abgezogen
  • Bei der Einkommensteuer können je nach Konstellation unterschiedliche Abzugsmöglichkeiten bestehen

Das Finanzgericht Münster hat in seinem Urteil vom 24.02.2019 (Az. 3 K 2547/17 E) bestätigt, dass ein Nießbrauchsrecht bei der Ermittlung des Grundstückswertes für die Grunderwerbsteuer als wertmindernder Faktor zu berücksichtigen ist.

Wertermittlung der Rechte: Wie lässt sich der wirtschaftliche Wert bestimmen?

Bewertungsmethoden für den Nießbrauch

Die Bewertung eines Nießbrauchsrechts erfolgt typischerweise nach einer der folgenden Methoden:

  1. Jahreswertmethode mit Vervielfältiger:
    • Ermittlung des jährlichen Nutzungsvorteils (z.B. ortsübliche Miete)
    • Multiplikation mit einem altersabhängigen Vervielfältiger gemäß der Bewertungstabellen des BewG (Bewertungsgesetz)
  2. Ertragswertverfahren:
    • Kapitalisierung der voraussichtlichen Erträge (Mieteinnahmen)
    • Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung des Nießbrauchers

Nach dem aktuellen Bewertungsgesetz (BewG) und den Tabellen des Bundesfinanzministeriums liegt der Kapitalwert eines lebenslangen Nießbrauchs für einen 70-jährigen Berechtigten bei etwa dem 10-fachen des Jahreswerts, für einen 80-Jährigen beim 7-fachen.

Bewertung des Wohnrechts

Die Wertermittlung eines Wohnrechts folgt ähnlichen Prinzipien, jedoch mit Fokus auf den reinen Wohnwert:

  1. Bestimmung des Wohnwerts:
    • Ermittlung der ortsüblichen Miete für die genutzten Räumlichkeiten
    • Abzug von eigenen Aufwendungen des Berechtigten (wenn vertraglich vereinbart)
  2. Kapitalisierung:
    • Anwendung des altersabhängigen Vervielfältigers nach dem BewG
    • Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände des Berechtigten

Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 16.09.2020 (Az. II R 19/18) die Bewertungsmethodik für Wohnrechte bestätigt und klargestellt, dass der Wert eines Wohnrechts grundsätzlich anhand der ortsüblichen Miete zu ermitteln ist.

Professionelle Wertermittlung

Für eine rechtssichere Bewertung empfiehlt sich die Beauftragung eines zertifizierten Sachverständigen für Immobilienbewertung, der:

  • Die genauen rechtlichen Rahmenbedingungen des spezifischen Rechts analysiert
  • Aktuelle Bewertungstabellen und Vervielfältiger korrekt anwendet
  • Die individuellen Umstände (Gesundheitszustand, statistische Lebenserwartung) berücksichtigt
  • Eine gerichtsfeste Dokumentation erstellt

Das Institut für Sachverständigenwesen (IfS) empfiehlt für die Bewertung von dinglichen Rechten stets die Hinzuziehung eines spezialisierten Sachverständigen, um rechtliche und steuerliche Risiken zu minimieren.

Fazit: Die richtige Entscheidung zwischen Nießbrauch und Wohnrecht

Die Wahl zwischen Nießbrauch und Wohnrecht sollte wohlüberlegt sein und von den individuellen Zielen abhängen:

  • Der Nießbrauch bietet dem Berechtigten maximale Nutzungsrechte und Flexibilität, belastet jedoch den Eigentümer erheblich stärker.
  • Das Wohnrecht stellt eine mildere Form der Belastung dar, die dem Eigentümer mehr Spielraum lässt, schränkt jedoch den Berechtigten auf die reine Wohnnutzung ein.

Vor der Einräumung eines solchen Rechts empfiehlt sich stets eine umfassende rechtliche und steuerliche Beratung sowie eine professionelle Wertermittlung durch einen qualifizierten Immobiliensachverständigen.

Als Immobilienbesitzer sollten Sie bei bestehenden Rechten den genauen Umfang und die Auswirkungen kennen, um fundierte Entscheidungen bezüglich eines möglichen Verkaufs oder einer Umfinanzierung treffen zu können.

Quellen und weiterführende Informationen

Hinweis: Dieser Beitrag wurde zu Teilen unter Verwendung von KI-Technologie erstellt.

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