Der demografische Wandel prägt unsere Gesellschaft: Im Dezember 2023 waren 5,69 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes. Viele davon besitzen Immobilien – ein Vermögenswert, der im Pflegefall schnell zur finanziellen Belastung oder zum Streitpunkt werden kann. Als Immobiliensachverständiger begegne ich regelmäßig Familien, die unvorbereitet mit dieser Situation konfrontiert werden. Dieser Artikel zeigt Ihnen, wie Sie Ihre Immobilie schützen und welche rechtlichen Aspekte Sie beachten müssen.
Welche Risiken drohen meiner Immobilie im Pflegefall?

Der Zugriff des Sozialamts auf Ihr Vermögen
Die größte Sorge vieler Immobilienbesitzer ist berechtigt: Das Sozialamt kann tatsächlich auf Ihre Immobilie zugreifen, wenn die Pflegekosten nicht anderweitig gedeckt werden können. Die rechtliche Grundlage bildet das Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI), welches die verschiedenen Pflegegrade und deren Leistungen definiert.
Konkrete Risiken für Immobilienbesitzer:
- Verwertungsdruck: Reichen Rente, Pflegeversicherung und sonstiges Vermögen nicht aus, prüft das Sozialamt die Verwertbarkeit der Immobilie
- Grundschuldeintragung: Das Amt kann eine Grundschuld zur Sicherung seiner Forderungen eintragen lassen
- Zwangsverkauf: Im schlimmsten Fall droht die zwangsweise Veräußerung zur Deckung der Pflegekosten
- Rückforderungen: Auch nach erfolgten Schenkungen kann das Sozialamt unter bestimmten Voraussetzungen Rückforderungsansprüche geltend machen
Die Kostenrealität in deutschen Pflegeheimen
Ein Platz im Pflegeheim kostet durchschnittlich zwischen 3.500 und 5.000 Euro monatlich – Tendenz steigend. Die gesetzliche Pflegeversicherung deckt davon nur einen Teil ab. Der verbleibende Eigenanteil beträgt oft 2.000 Euro oder mehr pro Monat. Bei einer durchschnittlichen Heimaufenthaltsdauer von drei Jahren summieren sich schnell Beträge im sechsstelligen Bereich.
Schutz der selbstgenutzten Immobilie
Eine selbstgenutzte Immobilie genießt einen besonderen Schutz, solange der Ehepartner oder minderjährige Kinder dort wohnen. Dieser Schutz greift jedoch nur begrenzt:
- Bei Alleinstehenden entfällt der Schutz nach angemessener Zeit (meist 6-12 Monate nach Heimeinzug)
- Die Definition der „angemessenen Größe“ liegt bei etwa 90 qm für einen Zwei-Personen-Haushalt
- Luxusimmobilien oder überdurchschnittlich große Objekte können trotz Eigennutzung verwertungspflichtig sein
Ab wann benötige ich einen rechtlichen Betreuer?
Die rechtlichen Voraussetzungen
Ein rechtlicher Betreuer wird vom Betreuungsgericht bestellt, wenn eine volljährige Person ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst regeln kann. Die Bestellung erfolgt nach § 1882 ff BGB und setzt voraus:
- Krankheitsbedingte Hilfsbedürftigkeit: Psychische Krankheit, geistige oder seelische Behinderung
- Erforderlichkeit: Andere Hilfen (Vollmacht, soziale Dienste) reichen nicht aus
- Verhältnismäßigkeit: Die Betreuung muss dem Wohl der betroffenen Person dienen
Warnsignale für Angehörige
Achten Sie auf diese Anzeichen:
- Rechnungen werden nicht mehr bezahlt oder wichtige Post ignoriert
- Verträge werden abgeschlossen, die offensichtlich nachteilig sind
- Die Person wird Opfer von finanzieller Ausbeutung
- Medizinische Behandlungen werden grundlos abgelehnt
- Die Wohnsituation wird gefährlich (Verwahrlosung, Brandgefahr)

Der Unterschied zur Vorsorgevollmacht
Eine Vorsorgevollmacht ist das wichtigste Instrument zur Vermeidung einer Betreuung. Sie bestimmen selbst, wer im Ernstfall für Sie handelt. Ohne Vollmacht entscheidet das Gericht über die Person des Betreuers – das kann auch ein fremder Berufsbetreuer sein.
Was leistet ein Betreuer für Immobilienbesitzer?
Aufgaben und Befugnisse
Ein Betreuer übernimmt je nach gerichtlicher Anordnung verschiedene Aufgabenkreise:
- Vermögenssorge: Verwaltung von Konten, Immobilien und sonstigen Vermögenswerten
- Aufenthaltsbestimmung: Entscheidung über Wohnort und Heimunterbringung
- Gesundheitssorge: Zustimmung zu medizinischen Behandlungen
- Behördenangelegenheiten: Vertretung gegenüber Ämtern und Versicherungen
Immobilienverwaltung durch den Betreuer
Bei der Verwaltung von Immobilien unterliegt der Betreuer strengen gesetzlichen Vorgaben:
- Erhaltungspflicht: Der Betreuer muss die Immobilie ordnungsgemäß verwalten und erhalten
- Wirtschaftlichkeit: Entscheidungen müssen im wirtschaftlichen Interesse des Betreuten liegen
- Dokumentation: Alle Maßnahmen sind gegenüber dem Betreuungsgericht zu dokumentieren
- Haftung: Der Betreuer haftet gemäß §§ 1833, 1908i Absatz 1 BGB gegenüber dem Betreuten für fahrlässig oder vorsätzlich entstandene Schäden
Grenzen der Betreuerbefugnisse
Wichtig: Nicht jede Entscheidung darf ein Betreuer allein treffen. Für genehmigungspflichtige Geschäfte nach § 1821 BGB benötigt er die Zustimmung des Betreuungsgerichts:
- Verkauf oder Belastung von Grundstücken
- Aufnahme von Krediten mit der Immobilie als Sicherheit
- Vermietung für mehr als fünf Jahre
- Schenkungen aus dem Vermögen des Betreuten
Wann kommt der Immobiliensachverständige ins Spiel?
Gesetzliche Anforderungen bei Immobilienverkäufen
Der Hausverkauf durch Betreuer muss gemäß § 1821 BGB durch das Betreuungsgericht genehmigt werden. Das Gericht prüft dabei besonders sorgfältig, ob der Verkauf dem Wohl des Betreuten dient und zu einem angemessenen Preis erfolgt.
Das Betreuungsgericht fordert in der Regel:
- Ein qualifiziertes Verkehrswertgutachten von einem öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen
- Nachweis über die Erforderlichkeit des Verkaufs
- Darlegung alternativer Finanzierungsmöglichkeiten
- Bei mehreren Interessenten: Begründung der Kaufentscheidung

Die Rolle des Sachverständigen
Als Immobiliensachverständiger übernehme ich in solchen Fällen eine besondere Verantwortung:
- Neutrale Wertermittlung: Objektive Feststellung des Verkehrswerts nach anerkannten Bewertungsverfahren
- Gerichtsverwertbarkeit: Das Gutachten muss den Anforderungen des Betreuungsgerichts genügen
- Transparenz: Alle wertbeeinflussenden Faktoren werden nachvollziehbar dargelegt
- Empathische Begleitung: Verständnisvolle Kommunikation mit allen Beteiligten in dieser schwierigen Situation
Schutz vor Unterwertverkäufen
Das Gericht lehnt den Verkauf ab, wenn der Preis erheblich unter dem gutachterlich festgestellten Verkehrswert liegt. Ein professionelles Gutachten schützt somit das Vermögen des Betreuten und gibt allen Beteiligten Rechtssicherheit.
Typische Fehler ohne Sachverständigen:
- Emotionale Preisfindung statt objektiver Bewertung
- Übersehen von Wertminderungen oder -steigerungen
- Fehlende Marktkenntnis bei speziellen Immobilienarten
- Unzureichende Dokumentation für das Gericht
Wie kann ich meine Immobilie vor dem Pflegefall schützen?
Frühzeitige Übertragung mit Nießbrauch
Die Übertragung mit Nießbrauchsvorbehalt ist ein bewährtes Instrument:
- Eigentumsübertragung: Die Immobilie geht auf die nächste Generation über
- Nutzungsrecht: Sie behalten das lebenslange Wohn- und Nutzungsrecht
- Schutz vor Zugriff: Nach Ablauf der 10-Jahres-Frist greift der Sozialregress nicht mehr
- Steuervorteile: Nutzung von Freibeträgen bei der Schenkungssteuer
Achtung: Die Übertragung muss rechtzeitig erfolgen. Bei Schenkungen innerhalb der letzten 10 Jahre kann das Sozialamt Rückforderungsansprüche geltend machen.
Das Wohnungsrecht als Alternative
Die rechtliche Grundlage für das Wohnungsrecht auf Lebenszeit stellt der § 1093 BGB dar. Im Unterschied zum Nießbrauch:
- Persönliches Recht: Nur Sie selbst dürfen die Immobilie bewohnen
- Keine Vermietung: Das Recht zur Vermietung entfällt
- Geringerer Wert: Der Wert des Wohnrechts ist niedriger als der des Nießbrauchs
- Pflegeheimproblematik: Bei dauerhaftem Auszug kann das Wohnrecht erlöschen
Leibrente und Immobilien-Teilverkauf
Moderne Alternativen bieten zusätzliche Möglichkeiten:
- Leibrente: Verkauf gegen lebenslange monatliche Zahlung mit Wohnrecht
- Teilverkauf: Verkauf von Anteilen zur Liquiditätsbeschaffung bei Erhalt des Wohnrechts
- Umkehrhypothek: Beleihung der Immobilie mit Auszahlung als Rente
Die rechtzeitige Vorsorgevollmacht
Eine umfassende Vorsorgevollmacht sollte enthalten:
- Vermögensverwaltung einschließlich Immobiliengeschäfte
- Vertretung gegenüber Behörden und Gerichten
- Gesundheitssorge und Aufenthaltsbestimmung
- Ausdrückliche Befreiung von § 181 BGB (Insichgeschäfte)
Wichtig: Die Vollmacht sollte notariell beurkundet werden, da sie nur dann für Grundstücksgeschäfte verwendbar ist.
Pflegezusatzversicherung als Baustein
Eine private Pflegezusatzversicherung kann die Finanzierungslücke schließen:
- Monatliche Zusatzleistungen im Pflegefall
- Schutz des Immobilienvermögens
- Entlastung der Angehörigen
- Aber: Frühzeitiger Abschluss erforderlich (Gesundheitsprüfung, Wartezeiten)
Praktische Handlungsempfehlungen
Für Immobilienbesitzer
- Bestandsaufnahme: Lassen Sie den aktuellen Wert Ihrer Immobilie professionell ermitteln
- Vollmachten: Errichten Sie eine notarielle Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
- Familienrat: Besprechen Sie frühzeitig mit der Familie verschiedene Szenarien
- Absicherung: Prüfen Sie Versicherungslösungen und alternative Finanzierungsmodelle
- Rechtliche Beratung: Konsultieren Sie einen Fachanwalt für Erb- und Betreuungsrecht
Für Angehörige und Betreuer
- Dokumentation: Führen Sie gewissenhaft Buch über alle Ausgaben und Einnahmen
- Transparenz: Informieren Sie nahestehende Angehörige über wichtige Entscheidungen
- Professionalität: Ziehen Sie bei Immobiliengeschäften immer einen Sachverständigen hinzu
- Genehmigungen: Holen Sie rechtzeitig die erforderlichen gerichtlichen Genehmigungen ein
- Beratung: Nutzen Sie die Unterstützung von Betreuungsvereinen
Fazit: Vorsorge ist der beste Schutz
Die Statistiken zeigen eindeutig: Mit 5,69 Millionen Pflegebedürftigen ist das Thema längst in der Mitte unserer Gesellschaft angekommen. Immobilienbesitzer stehen vor besonderen Herausforderungen, die sich jedoch mit der richtigen Vorbereitung meistern lassen.
Als Immobiliensachverständiger mit langjähriger Erfahrung im Bereich Betreuungsrecht unterstütze ich Sie gerne bei:
- Verkehrswertermittlungen für Betreuungsgerichte
- Beratung zu immobilienbezogenen Vorsorgemaßnahmen
- Gutachten bei Teilverkäufen oder Leibrentenmodellen
- Bewertung von Nießbrauch- und Wohnrechten
Die frühzeitige Auseinandersetzung mit dem Thema mag unangenehm sein, schützt aber Ihr Lebenswerk und entlastet Ihre Angehörigen in schwierigen Zeiten. Handeln Sie, solange Sie noch selbst bestimmt entscheiden können.
Quellen und weiterführende Informationen
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Pflegestatistik 2023 – www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB): §§ 1896 ff. (Betreuungsrecht), § 1821 (Genehmigungspflichtige Geschäfte), § 1093 (Wohnungsrecht) – www.gesetze-im-internet.de/bgb/
- Sozialgesetzbuch XI (SGB XI): Pflegeversicherungsgesetz – www.gesetze-im-internet.de/sgb_11/
- Engel & Völkers LiquidHome: Selbstgenutzte Immobilie im Pflegefall – ev-liquidhome.de/ratgeber/selbstgenutzte-immobilie-im-pflegefall/
- Heid Immobilienbewertung: Betreuungsgericht und Hausverkauf – www.heid-immobilienbewertung.de/ratgeber/betreuungsgericht-hausverkauf/
- Ruof Immobilienbewertung: Betreuungsvollmacht & Hausverkauf – www.ruof-immobilienbewertung.de/vormundschaft-betreuungsvollmacht-und-hausverkauf/
- Rechtsanwalt Kotz: Wohnrecht bei Pflegeheim – www.ra-kotz.de/was-passiert-mit-dem-wohnrecht-wenn-man-ins-pflegeheim-zieht.htm
- Makler-Vergleich: Hausverkauf durch Betreuer – www.makler-vergleich.de/immobilien-verkauf/hausverkauf/hausverkauf-was-beachten/hausverkauf-durch-betreuer.html
Hinweis: Dieser Beitrag und dessen Bilder wurden zu Teilen unter Verwendung von KI-Technologie erstellt.
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